Memoiren eines Lichtträgers / Unschärfe Part 1 und 2 / Ist die Katze aus dem Haus ... tanzen die Mäuse auf dem Tisch

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Version vom 17. Mai 2020, 21:53 Uhr von Karel (Diskussion | Beiträge)

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Bei den folgenden Text handelt es sich um die Fortsetzung der Memoiren eines Lichtträgers aus dem Tagebuch des Runners Silencio, aus dem später die Aufzeichnungen des Teams Bulletproof wurden, welches schließlich den Orden der Lichtträger neu gründete.
Jedes initiierte Mitglied der Lichtträger erhält ein Exemplar dieser Aufzeichnungen unter der Auflage es nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, dennoch erschienen Ende 2075 erste Teile der Aufzeichnungen in verschiedenen Data Havens. Ob es sich um Verrat oder eine Art von Rekrutierungsflyer der Lichtträger handelt ist bislang unbekannt.
Der aktuelle Stand der Veröffentlichung hier, entspricht dem Stand der Veröffentlichung ingame vom 15.10.2076.

Bisher erschienene Kapitel:

Achtung Spoiler! SPOILERWARNUNG! Achtung Spoiler!
Dieser Text kann Informationen enthalten durch die der "Genuss" folgender Romane und Abenteuer eingeschränkt wird:

Romane:

Abenteuer:


MeL 26: Unschärfe Part 1 / Ist die Katze aus dem Haus …[Bearbeiten]

Timecode 20.11.2054 / 14:10:00[Bearbeiten]

Nach dem Streß, den wir mit dem Drachen gehabt hatten, hatte ich eine Weile nichts mehr von Geflügel hören wollen, solange es nicht um echte(!) Chicken Wings oder um MaxNuggets ging. Und so war ein Monat ins Land gegangen, in dem ich von niemandem verarscht wurde, mich niemand geeken wollte und niemand im Quadrat mir erzählen wollte, was gut für mich ist. Was für ein life.

Als daher einer meiner alten Kumpels aus dem Zweiundzwanzigsten an jenem Tag auf meine Voicebox sprach und mich bat, ein paar Dinge in seiner Gegend zu regeln, musste ich nicht lange überlegen, um dem Ruf zu folgen und einige Tage im gemütlichen Redding im sonnigen Kalifornien zu verbringen. Dem Redding, das dereinst Schauplatz einiger relativ mieser bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen der California National Guard und den spitzohrigen Marodeuren aus dem Elfenland gewesen war, die der Meinung waren, ihr Volk brauche Raum oder so. Da die militärische Schlagkraft der Tir-Armee der des kalifornischen, naja, Rest-Hilfs-Militärs deutlich überlegen war, wußten wir uns damals nicht weiter zu helfen, als die guten alten ursprünglich von den Vietcong abgekupferten Tricks anzuwenden, um die Baumkuschler aufzuhalten, die überdies mit faulen Tricks kämpften, da sie haufenweise Kampfmagier mitbrachten.

Für alle, die jetzt nicht wissen, wo da der Haken war: nach der Trennung von UCAS und Kalifornien hatte das Pentagon natürlich nichts besseres zu tun gehabt, als alles, was nach UCAS-Streitkräften roch, sofort in andere und besser kontrollierbare Teile der UCAS zu verlegen. Diese waren ja durch die diversen bereits erfolgten Sezessionen insbesondere der dann unter der Bezeichnung CAS verschmolzenen Südstaaten schmählich geschrumpft, und der Führung in Washington D.C. schwante, daß ihre einst so schöne Armee sich in viele kleine Splitter auflösen könnte, wenn man den Laden nicht ein wenig zusammenhielt. Ein großer Teil der verschiedenen Waffengattungen verließ daher in der Folge das Land. Die einheimischen Soldaten der Nationalgarde hatten jedoch mit derlei Winkelzügen nichts am Hut und waren der Meinung, daß ein eigener Staat auch eine eigene Armee braucht – und wenn man eh gerade eine Uniform trägt… so kam eins zum anderen. Die nativen Kalifornier in der UCAS-Armee, die dem Versetzungsbefehl nicht nachkamen (und das waren echt viele, inklusive meinereiner, wenn auch nicht genug, aber lassen wir das), bekamen allesamt ein Militärgerichtsverfahren wegen Desertation und wurden – natürlich in Abwesenheit – zu hohen Haftstrafen verurteilt. Hat logischerweise keine Sau interessiert, aber man musste schon im Kopf behalten, daß die sog. „UCAS“ fürderhin von der Liste der Länder, die man als CFS-Einwohner gefahrlos besuchen kann, gestrichen werden musste. Mir war es egal, denn ich hatte genug amerikanischen Kontinent um mich herum, die Rednecks im Binnenland waren mir Banane, und an der Ostküste wussten sie noch nicht einmal, wie man schönes Wetter macht. Die häufigste Scherzbeleidigung, die man daher im kalifornischen Kommiss hören konnte, war erwartungsgemäß „Deserteur“.

Die Summe aller dieser Vorgänge führte aber dazu, dass im ganzen Staat die Verteidigungsfähigkeit ein besorgniserregendes Tief erreichte, und folgerichtig begannen die Elfen im Norden und die Aztlanesen im Süden, uns gleich nach dem Abzug der militärischen Gastarbeiter der Rest-UCAS hart aber bestimmt an den Eiern zu packen. Den kompletten Schlamassel kann man in jedem Geschichtstrid genießen, daher nur in Kürze: unser Präsident konnte keine Hilfe aus DC anfordern, die Indianer lachten sich wahrscheinlich sowieso gerade ob der Zerstrittenheit ihrer einstigen Widersacher und ihrer eigenen neu erwachten Größe die Hälse wund, und der Pazifik würde außer der sanften Brandung nichts Abendfüllendes beisteuern. Mit Surfen allein ließ sich aber bekanntlich kein Krieg gewinnen, und daher ploppte in den Köpfen des kalifornischen Parlaments die grandiose Schnapsidee auf, das Japanische Kaiserreich um Hilfe zu bitten. Hilfe kam überraschend prompt und mit, ähem, Spezialbefehlen ausgerüstet.

Und so, liebe Kinder, wurden wir eine japanisch besetzte Kolonie.

Immerhin hatten die Japsen eine funktionierende militärische Struktur mitgebracht, so dass wir nicht ganz hilflos waren – aber den verdammten Schlit-, äh, den Kaiserlich-Japanischen Truppen war befohlen worden, zuallererst kritische Industrien zu sichern, was bedeutete, dass all die schönen Serverfarmen und bling-bling-Soft- und Hardwareschmieden im Tal des Siliziums wirklich gut geschützt waren und San Francisco – meine Heimatstadt – inoffiziell in „Bay-Tokio“ umbenannt wurde.

Aber gut, zurück zum Thema. Im 22. Bataillon waren Moral und Patriotismus erfreulich ausgeprägt gewesen, so dass wir eingespielte Truppen und gutes Material vorzeigen konnten, und als die Graslutscher einfielen, zeigten wir ihnen, was eine Harke ist. Und dann zeigten die Graslutscher uns, was man mit der ihnen gezeigten Harke so alles anstellen kann. Schreddern, verbrennen, mit Schrapnell zu Mehl verarbeiten und zu guter und schäbigster Letzt: mit einem Harken-Vernichtungszauber belegen. Solche Methoden sind nicht im Entferntesten als ehrenhaft zu bezeichnen. Wenn der Sanitäter ratlos vor dem sterbenden Soldaten kniet, weil es keine Verletzungen gibt, die er behandeln könnte, dann ist das einfach nur perfide. Und das ist ja noch nicht alles. In allen ach so guten Dokumentationen lese, höre und sehe ich immer dieses „gerüchteweise beteiligten sich auch zwei Drachen an den militärischen Aktionen“ – fuck it. Gerüchte stürzen sich nicht aus dem Himmel und brennen mit Feueratem eine MG-Stellung nieder.

Daher also die Guerillataktik. Insbesondere in den eher bewaldeten Gegenden der westlichen Landeshälfte bis zur Pazifikküste waren wir damit erfolgreich gewesen, da auch die Magier und deren Helfer nicht durch lebenden Krempel wie beispielsweise Blätter hindurch sehen konnten. So konnten wir uns einigermaßen behaupten und sie immerhin bis zur Linie YrekaCrescent City zurückdrängen. Man kann sich vorstellen, dass diese Art von Hölle die Leute zusammenschweißt, und wenn einer aus meiner Einheit einen solchen nur mangelhaft kaschierten Hilferuf sendet, dann pack ich meine Sachen und folge. Versteht man doch, oder?

Lange Rede, kurzer Sinn: ich packte mein Köfferchen. Ich vergaß auch nicht, meine Jungs und Mädchen zu ermahnen, in meiner Abwesenheit keinen Scheiß zu bauen. Wirklich nicht. Ehrlich. Ich mein, was hätte ich denn noch mehr tun können? Sie mitnehmen? Ich kenne meine Zweiundzwanziger recht gut. Die hätten aus Respekt vor meinem Emblem (am Tag meines Ausscheidens aus dem Dienst hatte ich den Rang eines Sergeant Majors und war damit im höchsten Unteroffiziersrang angesiedelt sowie im gesamten Bataillon bekannt) darauf verzichtet, mir allzu deutlich die Meinung zu geigen, aber insbesondere die Anwesenheit der, sagen wir, etwas speziellen Italienerin in meiner Gruppe hätte diverse Kommentare zur Folge gehabt, von denen sich die Mehrheit um meine offensichtlich nachlassende geistige Gesundheit gedreht hätten. Nein, mitnehmen wäre keine Option gewesen.

Und ich hatte doch gesagt, sie sollen keinen Unsinn bauen.

Auftritt Bulletproof.

Timecode 22.11.2054 / 19:30:00[Bearbeiten]

Ator war der Glückliche gewesen, der einen Anruf eines Schiebers erhalten hatte. Ator, der „Geeeeeld!!!“ hört, wenn „Auftrag“ oder „Job“ gesagt wird. Ator, der ein besserer Dagobert Duck gewesen wäre als Dagobert Duck. Natürlich hatte er zugesagt. Als er mir nach meiner Rückkehr aus Redding bei einem Bier in seiner seit Quicksilvers Angriff „Gaskammer“ genannten Kanalisationsbutze die ganze Story erzählte, wusste ich nicht, ob ich lachen, weinen, kotzen oder meine Buxe vollkacken sollte. Auf Option 3 und 4 verzichtete ich nach einer Sekunde der Überlegung, denn ich saß in einem bequemen Sessel in seinem Wohnzimmer und wollte mir das Privileg nicht verspielen. Aber was er da erzählte, ließ mich immer wieder schaudern. Ich stellte sogar seine Videowand auf Stumm, um nichts zu verpassen. Und das will was heißen (Aber keine Sorge, das Bild blieb – da alle Teammitglieder noch am Leben waren, war die Angelegenheit nicht so dringlich, dass ich die Möpse und Schlitze auch weggeklickt hätte. Ja, auch wenn einige von euch die Nase rümpfen: Ator hatte einfach einen guten Geschmack, was Pornos anging.)

Der Auftrag war ein Standardding gewesen. Rückendeckung, oder ehrlicher: Personenschutz für jemanden, der irgendetwas krummes gedreht hatte oder jemandem auf die Zehen getreten war. Jedenfalls war das einhellige Meinung im Team, nachdem Ator herausgefunden hatte, dass die Zielperson von mindestens zwei Parteien gesucht wurde. Der Deal lief darauf hinaus, dass die Person am 25.11. irgendetwas an jemand übergeben mochte und bis zum Treffen nicht von den Unbillen der Welt behelligt werden wollte, wofür das Team Sorge tragen sollte. Er konnte nur nicht mit absoluter Gewissheit sagen, dass niemand sonst davon wusste, worum es sich bei dieser Transaktion handelte. Überhaupt schien der junge Mann, um den es ging, eine etwas seltsame Figur gewesen zu sein.
„Ich schwöre Stein und Bein, daß die astrale Überprüfung der Tasche, die unser Schützling immer bei sich hatte, nur zeigte, dass sich irgendein Stück Tech in ihr befand.“ Er nahm einen hastigen Schluck. „Wie’n Taschenrechner. Voll banal.“
Trotzdem gab es da etwas, von dem seine wie auch immer gearteten Geistfreunde oder Totem-Entitäten behaupteten, es wäre nicht nur Tech, sondern würde auf eine verschrobene Art, wie er sagte, „mit den Ebenen sprechen“ und ein „Ja-vielleicht-nein“-Gefühl erzeugen.
„Dazu kam“, ergänzte er, „dass ‚Carl‘, wie er sich nannte, bisweilen ein wenig konfus war. Eigentlich normales Chiphead-Verhalten, aber ich kenn‘ sowas natürlich – und der Junge war so clean wie ein neuer Tampon. Diese Störungen hatten es allerdings in sich, denn wir hatten – hinterher erinnert man sich natürlich dran – den Fall, dass Carl jemanden stolpern sah.“ Er verzog das Gesicht. „Nur: der ältere Mann, den er gesehen hatte, lief ganz normal und sicheren Schrittes durch die Straßen. Oder hier“, etwas Bier schwappte aus der Flasche, als er mit der Bierhand etwas zu impulsiv auf die Tischplatte vor mir zeigte, „griff Carl nach einer Bierflasche, als sie ‚umfiel‘. Vier andere Augenpaare sahen nichts dergleichen. Und Carl griff natürlich daneben, denn die Flasche stand dort, wo sie hingehörte.“ Dann rülpste der mächtigste |Alligatorschamane der ganzen Stadt in einer Stärke, dass ich mich fragte, ob das nicht negative Auswirkungen auf sein Totem haben könnte.

„Aber zocken konnte der …“, schnaubte Ator, während er den Kopf schüttelte, als würde er es immer noch nicht glauben. Weil JD gemeint hatte, es wäre dumm für unseren Schützling, sich rauszuwagen, wenn nach ihm gesucht wird, machte es sich immer einer bei Ator und Carl bequem, während die beiden anderen Besorgungen machten, Informationen einholten und am Stimmungsbarometer schnüffelten. Und beim Zocken war er wohl erste Sahne. „Wir haben dann später was anderes probiert, und Skat war etwas, was ihn forderte und wo man ihn knacken konnte.“ Endlich grinste er mal wieder. Zu viel Stress soll ja auch nicht gut für die Runnergesundheit sein. „Aber unschlagbar war er in den billigsten Spielchen, die man sich vorstellen konnte:“ Er starrte mich an und hob den Zeigefinger. „52 Karten durcheinander und mit dem Rücken nach oben auf dem Tisch verteilen. Karte ansagen, Carl in den Haufen greifen lassen und fassungslos dabei zusehen, wie er IMMER die richtige zieht. Nur eines wollte er nicht: dass wir die fragliche Karte vorher sehen. Dann klappt es nicht mehr, hatte er behauptet.“ Er nahm erneut einen Schluck aus der Flasche. „Eigentlich ein klares Verarschungsindiz.“

Ich kannte Ator, und mir war so klar, dass es ihn gewurmt hatte, nicht zu wissen, was da ablief, also hatte er natürlich begonnen, den Jungen bei seinen Stunts unauffällig astral zu überwachen. Von da an wurde es wirklich seltsam, und ich hatte Ator eigentlich noch nie so sehr nach Worten suchen gesehen wie an diesem Abend, als er mir erklären wollte, wie der Junge sich astral dargestellt hatte. Zuerst stellte unser ansonsten sehr klarblickender Schamane fest, dass die Aura des Jungen anfing, langsam und fast unmerklich zu „verschwimmen“, wobei er sich schon wieder korrigierte, kaum dass er das Wort ausgesprochen hatte. „Nein“, sagte er, „es war eher so, als ob ich viele verschiedene Auren an derselben Stelle sehen würde, als wären dort Dutzende von Auren in nur einer Person konzentriert. Das war ganz sicher noch nicht so gewesen, als wir ihn das erste Mal getroffen hatten und ich die Tasche gecheckt hab. Ganz sicher.“ Okay, mir war klar, das war zu hoch für mich, denn ich wusste um Ators Kompetenz in magischen Dingen. Wenn schon unser Geisterkillermaster nicht weiterkam, dann niemand, für den man nicht übel viel Nuyen und Zeit auf den Tische legen musste. Und das war nicht gut. Gar nicht gut.

Timecode 23.11.2054 / 21:30:00[Bearbeiten]

In der Außenwelt zogen sich, wie Ator sagte, derweil fette Gewitterwolken zusammen. Bei den diversen Ausflügen hatten sich schlechte Neuigkeiten, die JD oder leon nach hause brachten, geradezu im Stundentakt vervielfältigt. Offenbar wurde Carl wirklich gesucht. Und zwar von Leuten oder Interessengruppen, denen Nuyen nicht so wichtig waren, dass sie sie gern behalten würden. „Das war so richtig schief“, führte er aus, dabei mit einem ungeöffneten Synthshot mit Vanillearoma spielend, die ich mitgebracht hatte. „Ich wurde von meinem Schieber ‚Schmidt‘ angerufen, der mir die (natürlich kostenpflichtige) wichtige Information rüberreichte, derzufolge ein Team, das als ‚Red Men Group‘ bekannt war, intensiv nach Carl suchte. Ich hatte vorher noch nie von denen gehört, aber da diese Leute laut Mr. Schmidt Aufträge nur annahmen, wenn auf dem Scheck am Ende mindestens sechs Stellen standen – was erklärte, warum ich die nicht kenne -, war davon auszugehen, dass früher oder später jemand, der unser Team mit Carl zusammen gesehen hatte, diese Information weitergeben würde. Und das wäre, wie du dir vorstellen kannst, schlecht.“
Ich nickte. Ator und umziehen? Nur über ein paar Leichen.
„leon kam dann mit der Info an, daß einer ihrer Kontakte jemanden kannte, der von einem Aztech-Team über Carl ausgequetscht worden war. Im wörtlichen Sinn übrigens. Mann, war die sauer.“ Er rutschte etwas tiefer in seine Couch. „Und JD hatte seine Vertrauensperson in der Sicherheitsabteilung der Arkologie ausgefragt. Die wußte zu berichten, dass in den letzten zwei Tagen zwei schwarze Aktionsteams – die also in keinem Lohnbuchhaltungsformular auftauchen würden, solche kennen wir ja schon – mit umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen versorgt wurden und aus verschiedenen Büros der Matrixsicherheit Leute abkommandiert worden waren, die sich mit Statistik und Quantenverschlüsselung auskannten. Das waren also bereits drei weitere verschiedene Parteien in Opposition“, zählte er auf, wobei er einen etwas wehleidigen Tonfall anschlug, „und Dust war sich sicher, dass Ares auch mit drin hing – und wenn es nur deshalb war, weil die Angestellten von Mr. Knight von ihrem Boss den Auftrag erhalten hatten, herauszufinden, warum Raku und die Azteken so aufgeregt waren. Toll, nich?“

Mit dieser Situation konfrontiert, war Carl erstaunlicherweise beachtenswert wenig nervös gewesen. Ator und ich waren uns sicher, dass uns in dieser Situation der Arsch mit Schmackes auf Grundeis gegangen wäre, aber Carls Reaktion war eher, wie Freund Schnappi es dann ausdrückte, „als wenn man sich Sorgen macht, ob wohl der Durchfall vor dem Date mit der lecker Schnalle vorbei sein wird“. JD hatte nachgefragt, woher denn seine Sorglosigkeit käme, und Carls Antwort hatte jeden verblüfft: „Wenn du wirklich meinst, es sei Zufall, wenn ich jedesmal die richtige Karte ziehe, dann könnte es sein, dass derselbe Zufall dafür sorgt, dass keine Kugel ihr Ziel trifft. Worüber soll ich mir Sorgen machen? Ich beherrsche dieses … Kartenspiel inzwischen sehr gut, und je besser ich es spiele, desto eher passiert, was ich will.“ Ator versicherte mir, das verächtliche Grinsen, als Carl das Wort „Kartenspiel“ aussprach, deutlich gesehen zu haben, und das war der Grund, warum er noch einmal einen astralen Scan vornahm. „Diesmal“, sagte er, „war ich mir absolut sicher: dort, wo normalerweise eine Aura hätte sein sollen, waren viele. Er konnte es durch die schiere Menge der leuchtenden Erscheinungen nicht richtig sehen, aber es waren unglaublich viele Auren, und alle waren leicht anders. Andererseits aber nicht so anders, als ob sie zu verschiedenen Personen gehören würden. Sie bewegten sich, als ob Carl sich bewegen würde, aber er saß ruhig auf einem Stuhl. Seine Auren nicht. Oder zumindest nicht viele.“

Ich konnte es an Ators Augen sehen: Der Krokomant hatte sich gefürchtet und wollte selbst mir noch hinterher vormachen, es wäre nicht so dramatisch gewesen. Aber Kumpel, wie man ist, bohrte ich nicht weiter.

MeL 27: Unschärfe Part 2 / …tanzen die Mäuse auf dem Tisch[Bearbeiten]

Timecode 24.11.2054 / 23:45:00[Bearbeiten]

„Carls Zustand“, so berichtete mein hochgeschätzter Mitstreiter, „veränderte sich weiter. Neben den Wahrnehmungsschwierigkeiten, die zuletzt abgenommen hatten, wurden jetzt Zuckungen am ganzen Körper wahrnehmbar. Meistens nur in sehr kleiner Bewegungsweite, aber sichtbar.
Den Vogel schoss dann John Doe ab. Er betrat unaufgefordert meine Schlafhöhle, was einen deutlichen Bruch der Etikette bedeutete, und JD wusste das, aber es schien ihm etwas wichtig zu sein. Und du glaubst nicht, was er wollte“, grinste Ator. „Er hatte ‚gesehen‘, daß Carl einen Pickel auf der Stirn bekam, der plötzlich da war – und dann wieder weg. Und er wollte, dass ich einen astralen Tiefenscan oder so mache, weil er glaubte, dass mit ihm was nicht stimmt. Ich hab den armen John dann beruhigen können, indem ich ihm steckte, daß es Carl ist, mit dem was nicht stimmt und dass ich das bereits gemerkt hab. Allerdings“, er sah kurz zu Boden, „hab ich ihm nicht gesagt, dass ich auch erst einen Riesenschreck bekommen hab, als ich das Ausmaß von Carls … na … ‚astraler Schizophrenie‘ gesehen hab.“

War mir so klar. Sir Reptile mit seiner großen Fresse. Man kennt seine Pappenheimer. Ich zog an meinem Bier und ermunterte ihn, weiterzuerzählen.

Timecode 25.11.2054 / 13:00:00[Bearbeiten]

Es waren also alle reichlich mit den Nerven runter, als endlich der 25.11. den Kalender zierte und Carl aus verschiedenen bösen Ecken der Matrix die Informationen zusammenraffte, die die Absprache mit seinem Verhandlungspartner ergaben. Dann stand auch der Treffpunkt fest. Für die Gruppe bedeutete das, daß in wenigen Stunden dieser Alptraum ein Ende haben würde.

Der Treffpunkt selbst schien nach Ansicht der Gruppenmitglieder durchaus brauchbar für eine Aktion dieser Art. An der angegebenen Adresse in Central Tacoma befand sich eine ehemalige Shopping Mall, die nach einer Reihe von Jahren des Verfalls wiederbesiedelt worden war. Was sich in den Räumlichkeiten jetzt befand, konnte man gut und gern als „Basar“ bezeichnen. Dort tummelten sich zu jeder Uhrzeit ziemlich viele Leute, und wenn man im Geheimen eine Transaktion vornehmen wollte, war diese Location besser als jede Space Needle. Und wenn man als Rückendeckung dort war, war es zudem sehr angenehm, dass die ohnehin schon antik zu nennenden Waffenscanner an den Eingängen schon lange außer Betrieb waren.

„Alles in allem waren wir froh, endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen“, knurrte Ator zwischen zwei Schlucken seines inzwischen dritten Getränkes. „Und wir waren uns sicher, dass allein die Menge an Publikum in dieser Mall eventuell aufkreuzende Gunner etwas bremsen würde. Nun ja.“

„Habt ihr euch den Laden vorher mal angesehen?“, warf ich ein. Eigentlich gehörte sowas zum Standard, aber ich saß ja nicht umsonst mit Ator vor seiner Bildwand, bei der der Ton abgestellt war, um zu hören, wenn er anfing, irgendetwas zu beschönigen.

„Doch, klar“, nickte er. „JD ist da ähnlich paranoid wie du und gab grünes Licht, als er von ‚ARGE‘, wie er es nannte, zurückkam.“ Auf meine fragend hochgezogene Augenbraue reagierte er mit leichtem Augenrollen. „Ich konnte es dann, als wir endlich da waren, selbst sehen. Der größte Mieter der Mall vor dem Verfall war Target gewesen, und der Schriftzug hing noch. Das Logo und die beiden ‚T‘ waren schon lange abgefallen, so dass nur noch ‚ARGE‘ am Gebäude zu lesen war.“

Ich ließ mich in den Sessel zurücksinken. „Witzbold. Und der war bei der Sicherheit? Unglaublich. Na ja, egal. Fahre fort, Oh Meister der Gespensterbannung. Entzücke mich mit einer weiteren Heldentat der Glorreichen Fünf. Auch wenn einer der besonders Glorreichen grad mal auf Klo war.“ Mit einem Grinsen fordert ich ihn auf, weiterzuerzählen. Das Grinsen blieb mir jedoch sofort wieder im Hals stecken, als ich sah, wie er eine finstere Miene zog.

„Na ja, der Plan war“, knüpfte er an seine Erzählung an, „da reinzugehen, die Menschenmenge als Deckung zu benutzen, den Übergabedeal zu sichern, falls doch noch irgendeiner abnerven will, und dann mit den 50k nach hause zu fahren. So wie eigentlich immer, bevor die Kacke anfängt, in d-moll zu dampfen.“ Mich beschlich ein mulmiges Gefühl. Um mich selbst zu beruhigen, fing ich an, in mich hineinzumurmeln. „Er hat gesagt, es sind alle unversehrt. Alle sind am Leben. Lalala. Er hat gesagt, es sind alle unversehrt. Alle sind am Leben. “

Ator schien plötzlich Mitleid mit mir zu bekommen. „Cool bleiben, Kurzer. Okay, es war schon strange, dass wir an diesem Tag das erste Mal überhaupt bezahlt wurden, bevor der Job zu Ende ging, was insbesondere JD in einen formidablen Paranoia-Schub deluxe stürzte, aber Carl hatte noch ein paar andere Gimmicks für uns. So gab er uns, bevor wir ausstiegen, den Rat, alles zu versuchen, das kleine Gerät an uns zu nehmen und uns zu verpissen, sollte der Tag schlecht enden. Er hatte sogar sowas wie eine Bedienungsanleitung geschrieben, wie es zu benutzen sei, wenn man damit verrücktere Sachen anstellen möchte, als ein wenig Glück zu haben, wie er sich ausdrückte. Es sollte aber kein Problem sein, selbst aus einer sehr brenzligen Situation, in der man unwahrscheinlich viel Dusel haben muss, um ohne zusätzliche Löcher da rauszukommen, sich mit Hilfe des Gerätes eben diesen Dusel zu besorgen. Ich hatte es noch nicht übers Herz bekommen, ihm zu erklären, was mit seiner Aura passiert war und welche Besonderheiten er in der Zwischenzeit an den Tag gelegt hatte. Mir war zumindest klar, dass ich den Teufel tun würde, dieses Ding häufiger anzufassen als nur, um ein einziges Mal mein nacktes Leben zu retten.“

Ich rutschte unruhig auf der Sitzfläche herum. „Alter, jetzt komm schon. Was ist passiert?“

Der Schamane streckte sich. „Na was wohl? Die beiden Dudes treffen sich im Obergeschoss an einer verabredeten Stelle, der andere holt ein paar Würfel aus der Tasche, würfelt zwanzigmal hintereinander mit vier W20 nur Einsen, setzt eine zufriedene Miene auf und zerplatzt. Oh, ein Bleizauber. Wie ungemütlich. Eine Sekunde ist Ruhe, dann kreischt und rennt der gesamte Laden durcheinander. Aus allen Ecken und Enden kommen irgendwelche Leute mit dicken Plempen gerannt, die sich doof anglotzen, als hätten sie nicht gewusst, dass die jeweils anderen auch da sind, und dann: Krieg.“ Er schüttelte ein weiteres Mal den Kopf, als könne er immer noch nicht glauben, was in dieser ehemaligen Mall abgelaufen war.

„Carl hatte wieder einmal unwahrscheinliches Glück“, erläuterte er, während er sinnierend gegen die niedrige Decke blickte. „Er tauchte nämlich plötzlich mit dem ‚Gerät‘ in der Hand neben mir auf und schlug im Ernst vor, kreischend und in Panik diese gastliche Räumlichkeit zu verlassen, weil das der unauffälligste Weg wäre, den ohnehin gerade einige hundert andere Metamenschen vormachen. Natürlich vergaß er zu erwähnen, dass sich die in heller Panik befindlichen Menschenmassen gerade an den stillstehenden Rollbändern, die Richtung Erdgeschoß geneigt sind, gegenseitig zu rotem Matsch zertrampelten. Da ich nicht wusste, wo in diesem Getümmel meine anderen drei Buddies steckten, stopfte ich ihn einfach in einen Haufen Wäsche, wirkte ‚Verbesserte Unsichtbarkeit‚ und warf mich drüber. Auf der Etage waren mindestens drei, wahrscheinlich aber eher vier Einsatzgruppen aneinander geraten, und keine wollte aufgeben. Das war nicht wegen der Sonderangebote dort – ganz sicher. Aber es dauerte nicht lange, da kam das Finale. Und das hatte es in sich. Pass auf:“ Er lehnte sich nach vorn und fixierte mich mit stechendem Blick, als wollte er sicherstellen, dass ich das Folgende nie vergessen würde.

„Während da also die Delegationen der verschiedenen Interessengruppen in harten Verhandlungen zugange waren, fing plötzlich das ganze Haus zu beben an, und mit einem Mordsgetöse stürzte das Dach ein. Dachte ich zumindest. War aber nicht so. Das Dach wurde abgerissen. Ab-ge-ris-sen – wie von einer Packung Saltee-Krakks. Also da war plötzlich ein Riesenloch im Dach, aber keine Trümmer rieselten runter. Und dann kamen sie.“

Hatte ich mal erwähnt, dass Ator ein echter Dramatiker sein konnte? Ich fiel vor Spannung fast vom Sessel. Unfähig, mich verbal auszudrücken, reichte es bei mir nur noch zu einer hektischen Geste, die ihn zum Fortfahren treiben sollte.

„Ja doch …also die beiden. Ein Mann und eine Frau. Sie schwebten einfach durch das Loch in der Decke, und mit ein paar beiläufigen Handbewegungen ließen sie erst alle gerade in Verwendung befindlichen Feuerwaffen von hinnen fliegen, und dann die entsprechenden Dudes, denen die entrissen worden waren, umfallen. Ich hatte kurz Astralsicht angeworfen, aber die beiden waren offenbar nicht stärker magisch als eine Goldene Kreditkarte. Und der Kerl hatte mich sofort gesehen. Unter dem Berg Wäsche und meiner Unsichtbarkeit. Der war maskiert bis hinter den Mt. Rainier. Bei ihr sah es nicht viel anders aus, und ich war völlig planlos, wer denn da gerade die Party gebasht hatte. Und dann hatte ich diese Stimme im Kopf.“ Den nächsten Satz versuchte er, besonders tief und dröhnend zu sprechen: “ ‚Ihr könnt jetzt rauskommen. Das Gebäude ist sicher.‘ “ Er preßte die Lippen zusammen und ergänzte: „Und ich so: Scheiße. Drachen. Zwei. Gefickt.“

Ich stöhnte. Drachen. Wie war das noch? Ich wollte nichts mehr von Geflügel hören, solange es nicht um Chicken Wings ging?

„Wir kamen natürlich raus, denn wenn die beiden uns hätten grillen wollen, dann hätten sie es einfach getan und drauf geschissen, dass da noch ein Haus um uns herum ist.“ Herr Gilla verdrehte die Augen. „Statt aber einfach zu nehmen, was sie wollten, begann der männlich aussehende Drache mit einer Moralpredigt. ‚Zu gefährliches Spielzeug‘, ‚Eingriffe in Metaebenen-Balance mit unvorhersehbaren Folgen‘, dann noch sowas wie ‚technisches Äquivalent von verderbter Magie‘ und noch einiges mehr. Und dann sah er mich an und sagte nur in meinem Kopf ‚du hast gesehen, wie es die Aura verdreht‘, und ich konnte nur nicken. Die anderen hatten davon nichts mitbekommen, das konnte ich an ihren Gesichtern sehen. Und dann meinte er noch, er wusste schon, ich hätte Potential, und wir würden uns wiedersehen. Und das war offenbar keine Drohung. Das hat mich am meisten gefreut, denn wie du dir vorstellen kannst, ist die Liste an lebenden Leuten, die ein Drache tot sehen will, unerfreulich kurz. Der schien was für mich übrig zu haben.“

Ich nickte. Ja, am besten ist es immer, bei den Flatterviechern unter dem Radar zu bleiben. Konzerne sind eine Sache, aber Konzerne werden von Metamenschen gelenkt, und deren ausführende Organe sind ebenfalls Metamenschen. Drachen hingegen können zur Not alles selbst erledigen und haben bestenfalls homöopathische Affinität zu metamenschlichen Moralbegriffen. Allerdings gab es da einen Drachen, dem man nachsagte, an Metamenschen besonderen Gefallen gefunden zu haben…

„Moment“, stammelte ich. „Willst du mir jetzt im Ernst verkaufen, du hättest vor DUNKELZAHN gestanden???“

Er zeigte seine Beißerchen, als ob er meine Angewohnheit kopieren wollte. „In Begleitung einer sehr attraktiven Lady mit langen rotbraunen Haaren, die kein Wort sprach. Na, eine Idee?“

Ich verschluckte mich fast an meinem Bier. „Verarsch mich nicht. Nicht in einem Fall dieser Tragweite.“

„Haste oder haste nich?“, bohrte er nach.

„Fängt mit ‚H‘ an und hört mit ‚estaby‘ auf?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich die Bestätigung haben wollte.

Er nickte. „Ja, das war der Hammer. Wer von uns normalen Sterblichen kann sowas schon von sich sagen?
Na ja, jedenfalls gaben wir ihnen dann das Gerät, sie setzten sich beide davor und machten zwei Minuten gar nichts. Jedenfalls bekamen wir nichts mit. Dann standen sie auf, stellten sich in einem Abstand von so etwa zwei Metern hin, so daß das Gerät zwischen ihnen lag, und dann begann es zu glühen und zerfiel zu Staub. Dann erklärte D uns, daß wir gehen könnten, Carl hingegen erst nach einer selektiven Gedächtnislöschung freigelassen würde. Die jetzt unbewaffneten Dudes würden eh nach einer Weile wieder erwachen, und es wäre dann schon besser, wenn man sich vorher entfernt hätte.

Ich fragte noch, woher das Gerät eigentlich kam, und mit einem etwas zu liebenswürdigem Lächeln erwiderte unser Schuppenfreund in Verkleidung, dass er und seine Begleitung bereits dafür gesorgt hätten, dass sich niemand daran erinnern kann, was das Ding war, wie es funktionierte und wer diese Erfindung überhaupt gemacht hatte. Da wußte ich, dass ich mehr eigentlich gar nicht wissen wollte.“

Mit einer schwungvollen Bewegung stelle er dann seine mittlerweile leere Flasche auf den Tisch und schloss seine Geschichte mit:

„Das war eigentlich alles. Nur der übliche, alltägliche Wahnsinn. Aber wenn du nochmal da unten zu tun hast – gibts da eigentlich Sümpfe? Die würd ich mir dann ganz definitiv mal genauer ansehen.“

Und ich hatte noch gesagt, sie sollen keinen Unsinn bauen. Hat ja echt prima funktioniert.

Quellen[Bearbeiten]

Die geschilderten Geschehnisse beruhen auf den Erlebnissen der SC-Gruppe von Benutzer Goronagee. Neben den oben genannten Romanen und Abenteuern fanden folgende Sourcebooks Verwendung:

Liste der Sourcebooks:

Anmerkung[Bearbeiten]

Dies war das einzige Abenteuer, welches nicht von "Goronagee" geleitet wurde. Der Spieler von "Silencio" hatte eine Idee für ein Abenteuer und "Goronagee" nutzte die Gelegenheit und schlüpfte in die Rolle von "JD".

Weblinks[Bearbeiten]